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Norbert Müller

Rede von Norbert Müller MdB zum Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz

Krieg verursacht unermessliches Leid – und eine ganze Menge gefährlichen Müll. Seit dem 9. Mai 1945 stellt sich in Deutschland folgende Frage: Was soll mit den ganzen Weltkriegswaffen, -bomben und -granaten passieren – und wer ist für deren Entsorgung verantwortlich?

Die Bundesrepublik trägt aufgrund der Subjektidentität mit dem Deutschen Reich die Kosten bei sogenannter „reichseigener Munition“ – das sind pro Jahr etwa 30 Millionen Euro. Nun gibt es aufgrund des Verlaufes des Zweiten Weltkrieges nicht nur „reichseigene“, sondern eine ganze Menge alliierter Rüstungsaltlasten auf deutschem Staatsgebiet. Häufig sind das Fliegerbomben, die bei der Bombardierung des faschistischen Deutschen Reiches - zu unser aller Leidwesen - nicht detoniert sind. Insgesamt haben die Alliierten 1,3 Millionen Tonnen Fliegerbomben eingesetzt, um Deutschland zur Kapitulation zu bewegen. Experten gehen von etwa 250.000 nicht detonierte Bomben aus, die teilweise bis zum heutigen Tag in deutschem Boden liegen. Besonders betroffen sind die Bundesländer Berlin, Hamburg, Brandenburg und wir man diese Woche mit der Entschärfung einer 250 kg Fliegerbombe in Hannover wieder sehen konnte, Niedersachsen.

Die anfallenden Kosten für die Entsorgung alliierter Munition müssen die betroffenen Kommunen und Länder seit nunmehr 70 Jahren selbst tragen. Seit 1990 hat die Erkundung, Entschärfung und Entsorgung alliierter Rüstungsaltlasten alleine das Land Brandenburg etwa 220 Millionen Euro gekostet, die anderswo dringend gebraucht werden. Auch die anderen betroffenen Bundesländer stehen vor ähnlichen Herausforderungen.

Für die Betroffenen ist klar: Es gilt das Verursacherprinzip! Und Verursacher des Zweiten Weltkrieges sind nicht die Alliierten, auch nicht die Kommunen oder die Länder, sondern das Deutsche Reich und damit in Verantwortung die Bundesrepublik Deutschland.

Mit dem Beschluss des „Gesetz über die Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland“ hat der Bundesrat zuletzt am 11. Juli 2014 und damit zum insgesamt sechsten Mal nach 1992, 1997, 2001, 2003 und 2011 die Bundesrepublik Deutschland in die Pflicht nehmen wollen. Was ist seit 1992 mit dem Beschluss des Bundesrates passiert? Richtig, Nichts!

Jede Bundesregierung seit Helmut Kohl hat dieses Thema abgewürgt, ausgesessen oder schlichtweg ignoriert. Die SPD war bei Abstimmungen im Bundestag 1993 und 1998 als Oppositionsfraktion dafür. Jürgen Trittin als ehemaliger Grüner Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Niedersachsen sogar mal Beauftragter des Bundesrates für das Gesetz. Unter der Rot-Grünen Kanzlerschaft von Gerhard Schröder wurde das Gesetz 2004 dann aber abgelehnt. Die CDU adäquat verwirrt, aber zeitversetzt war 1993 und 1998 unter Kanzler Kohl dagegen, dann in der Opposition 2004 aber dafür. Und seit der großen Koalition unter Kanzlerin Merkel war man sich einig, am besten gar nicht mehr über das Thema zu sprechen. Seit dem letzten großen Anlauf 2011 warten die Bundesländer nun darauf, dass die Bundesregierung das Gesetz in den Bundestag einbringt.

Die Rechnung der Bundesregierung scheint klar – je mehr Zeit vergeht, umso mehr Munition wurde in der Zwischenzeit auf Kosten der Kommunen und Länder entsorgt. Wo die schwarze Null regiert, müssen die berechtigten Interessen der eigenen Landesregierungen hinten anstehen. Doch dieses Aussitzen ist gefährlich.

Nach über 70 Jahren verwittern langsam die Kunststoffsicherungen der chemischen Langzeitzünder von Fliegerbomben. Hierdurch wird eine Entschärfung massiv erschwert und lebensgefährlich. Und selbst sogenannte Spontandetonationen ohne jeglichen äußeren Einfluss in besiedelten Gebieten sind nicht auszuschließen. Damit gefährdet die Bundesregierung das Leben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kampfmittelbeseitigungsdienste sowie von Bürgerinnen und Bürgern, die über Blindgängern wohnen oder arbeiten.

Die Linksfraktion wird diesen politisch schizophrenen Zustand nicht länger hinnehmen. Wir haben uns dem vom Bundesrat erteilten Auftrag an die Bundesregierung angenommen und bringen das Gesetz nun selbst in den Bundestag ein. Damit haben sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten der SPD und der Union die Möglichkeit, den von ihren Landesregierungen getragenen Beschluss zum Gesetz zu erheben und den Bund endlich in die Verantwortung zu nehmen. Zeit wird es!