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Angelika Linke, Ludwigsfelde

Nachgefragt bei Maren Ruden

Jahrgang 1963, gelernte Buchhändlerin, 21 Jahre lang »Ludwigsfelder Botin«, ehemaliges Mitglied der Stadtfraktion DIE LINKE/FiLu, in der sie die »Frauen in Ludwigsfelde « vertrat, Vorsitzende des Behindertenbeirates Ludwigsfelde, Aktivistin gegen sexualisierte Gewalt an Kindern (u. a. Mitglied des »Runden Tisches Kindesmissbrauch «), u. a. Mitglied des Vereins »Ludwigsfelder Weihnachtsengel e. V.«, des »Ludwigsfelder Geschichtsverein e. V.« und des »VorOrtung e.V.«, Autorin, Poetin, Feministin …

Liebe Maren, wir kennen uns schon viele Jahre und ich schätze Dein außerordentliches ehrenamtliches Engagement zum Wohle anderer Menschen. Was motiviert Dich, so viel Zeit und Kraft zu investieren?

Mein Leben hier in diesem Land und in unserer Stadt – in Frieden, mit Wohnung, Kleidung, ohne Hunger, mit Zugang zu sauberem Wasser und gesicherter ärztlicher Versorgung – empfinde ich als privilegiert. Dafür bin ich dankbar und möchte, in erster Linie, der Stadt, dem Land, der Gesellschaft, etwas zurückgeben. Gern würde ich dazu beitragen, die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen und nicht zuletzt – es macht mir einfach riesigen Spaß, mit Menschen in Kontakt zu kommen und zusammen etwas zu bewegen.

Du bist Vorsitzende des Behindertenbeirates in Ludwigsfelde …

Durch meine eigene Seh- und Gehbehinderung erlebe ich ganz persönlich, welche Herausforderung der Alltag mit Behinderung sein kann. Diese Erfahrung möchte ich nutzen, um zusammen mit vielen anderen Menschen mit und ohne Behinderung, in unserer Heimatstadt und vielleicht sogar der Region, für mehr Barrierefreiheit und letztendlich mehr Inklusion zu sorgen.

Du warst Teilnehmerin der Aktion »Keine Gewalt gegen Frauen« …

In den Jahren nach 1990 begann in Ludwigsfelde eine Zeit sehr aktiver frauenpolitischer Arbeit. Als Mitglied des »Lila Treff e. V.« und später des »Ludwigsfelder Frauenstammtisch e. V.« und als Kommunalpolitikerin, gewählt über die Frauenliste »FiLu«, durfte ich Teil davon sein. Es begann mit einer Notwohnung für von Gewalt bedrohte Frauen und ihre Kinder, die ich während einer zweijährigen ABM betreute. Später schufen wir das Frauenhaus, das auch heute noch arbeitet. Die Erfahrungen meiner Tätigkeit dort prägen mich bis heute. Da nach wie vor jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer, psychischer und/ oder sexualisierter Gewalt wird, werde ich auch nicht aufhören, mich in diesem Bereich zu engagieren.

Seit Jahren engagierst Du Dich als Ludwigsfelder Weihnachtsengel …

Kinder sind unsere Zukunft, meine eigenen Kinder machen mein Glück erst vollständig und kein Kind sollte in Armut leben, schon gar nicht in so einem reichen Land wie unserem. Um materiell benachteiligten Kindern hier aus unserer Stadt einmal im Jahr einen besonderen Nachmittag zu schenken und ihre Augen beim Auspacken ihres Geschenkes leuchten zu sehen, deshalb bin ich seit 16 Jahren Teil der »Ludwigsfelder Weihnachtsengel«. Übrigens: Ohne die nimmermüde Bereitschaft der Ludwigsfelder*innen, alljährlich Päckchen zu packen, Geld zu spenden und/oder mit anzupacken, könnten wir Weihnachtsengel das gar nicht bewältigen – von ganzem Herzen DANKE!

Als Aktivistin gegen sexualisierte Gewalt an Kindern, wie sehr erschüttern Dich die ans Licht gekommenen Straftaten in der katholischen Kirche?

Leider überraschen mich diese fast täglich ans Licht kommenden Straftaten, in allen Bereichen – Kirchen, Vereine, Kindereinrichtungen, Schulen, nicht zu vergessen die Familien und die sozialen Medien, nicht mehr, dennoch erschüttern sie mich jedes Mal wieder. Als selbst Betroffene weiß ich, wie sehr sexualisierte Gewalt, die man im Kindesalter erlebt, den weiteren Lebensweg beeinträchtigen kann. Wie in allen Bereichen, in denen es dazu kommt, wird in der katholischen Kirche geschwiegen und gelogen, um diese Taten zu vertuschen. Besonders katastrophal ist es jedoch dort, weil Täter innerhalb der katholischen Kirche nach Bekanntwerden solcher Fälle nicht etwa bestraft, sondern versetzt wurden und dadurch die Möglichkeit erhielten, in anderen Gemeinden weitere Opfer zu missbrauchen. Staatliches Recht gilt innerhalb der katholischen Kirche nicht. Bis heute hat die katholische Kirche in Deutschland keine wirkliche Aufarbeitung begonnen, anders als z. B. in Irland, und zollt den Betroffenen in ihren Reihen keinen Respekt. Seit zwölf Jahren hatte und habe ich, gemeinsam mit Fachexperten, Politiker*innen und zahlreichen Betroffenen, die Möglichkeit, durch meine Fachexpertise die Arbeit in diesem Bereich voran zu bringen, dafür bin ich dankbar. Dennoch muss gesagt werden: es ist immer noch nur der erste Schritt eines sehr langen Weges.

Du bist von Geburt an Ludwigsfelderin, lebst gern in unserer Stadt und bringst Dich ein. Was gibt es hier noch zu tun? Wie siehst Du Ludwigsfelde in 20 Jahren? Was gibt es für die Politik zu tun und für unsere Fraktion?

Ja, ich liebe meine Heimatstadt und finde, dass es sich hier gut leben lässt. Allerdings finde ich, dass wir als Einwohner*innen auch bereit sein sollten, wenn wir Veränderungen in Ludwigsfelde wollen, selbst etwas dafür zu tun. Das geht, so sind meine Erfahrungen, gemeinsam am besten. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass unsere Stadt weiter Barrieren abbaut – nicht nur die, an denen Menschen mit Behinderungen scheitern können, sondern auch z. B. soziale oder kommunikative. Ich wünsche mir, dass die verschiedenen Generationen, Kulturen und demokratischen Parteien gemeinsam mit der Stadtverwaltung dafür Sorge tragen, dass niemand sich vergessen oder diskriminiert fühlt. Wichtig dafür ist, so denke ich, miteinander zu sprechen und einander zuzuhören. Und dann zusammen anzupacken – wir können das, dafür gibt es schon viele gute Beispiele. In 20 Jahren? Wird Ludwigsfelde bunt und facettenreich sein – und Heimat für viele großartige Menschen.